Digital Law

Ausschluss russischer Banken aus dem S.W.I.F.T.-Netzwerk

28. Februar 2022

Dr. Jens Ambrock

Infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine wird seit einigen Tagen der Ausschluss der russischen Föderation aus der S.W.I.F.T.-Infrastruktur diskutiert. Am 26.02.2022 haben sich die USA und Spitzen der EU darauf verständigt, jedenfalls einzelnen Kreditinstituten Russlands den Zugang zu verwehren.


Funktionsweise von S.W.I.F.T.

Hinter der Abkürzung S.W.I.F.T. verbirgt sich die Society For Worldwide Interbank Financial Telecommunication, eine privatrechtliche Genossenschaft (Société Coopérative) mit Sitz in La Hulpe in Belgien. Sie gehört zu 100 Prozent den beteiligten Kreditinstituten, Wertpapierbörsen und anderen Finanzagenturen aus 212 Staaten aller Kontinente. Die S.W.I.F.T. s.c. bildet die digitale Kommunikationsinfrastruktur als Grundlage internationaler Kapitalbewegungen. Bei den rund 12-17 Millionen Nachrichten, die das Netzwerk täglich durchlaufen, handelt es sich um nahezu sämtliche Auslandstransaktionen sowie um nationale Eilüberweisungen. Hinzu kommen Mitteilungen zum Wertpapiertransfer und zu Devisen- und Geldmärkten wie Depot- und Kreditbestätigungen.

S.W.I.F.T. versendet kein Geld. Der Dienst verschickt lediglich Textnachrichten zwischen der überweisenden und der empfangenden Bank. Dies geschieht über ein eigenes, vom Internet unabhängiges Leitungsnetz. Mithilfe der standardisierten Mitteilungen wird die Empfängerbank aufgefordert, den angewiesenen Betrag auf dem betreffenden Bankkonto gutzuschreiben. Der Geldtransfer selbst erfolgt über Verrechnungskonten, die die Kreditinstitute untereinander wechselseitig vorhalten. In einer ausgeglichenen Finanzwirtschaft ist es nicht notwendig, Geldtransporter zwischen den Banken verkehren zu lassen. Eine Überweisung von Kund:innen der Bank A an solche der Bank B wird auf lange Sicht dadurch ausgeglichen, dass auch regelmäßig Kontoinhaber:innen der Bank B Zahlungen in etwa gleichem Umfang an Geschäftspartner:innen der Bank A vornehmen. Damit die tatsächlich Rechnung aufgeht, sind die Kreditinstitute an Clearing-Systeme angeschlossen, die die Schulden einer Vielzahl von Banken untereinander verrechnet. Die für das Clearing notwendigen Informationen werden in der Regel ebenfalls über S.W.I.F.T. verschickt.

Folgen des Ausschlusses russischer Kreditinstitute

Russische Banken, die ihren Zugang zum S.W.I.F.T.-Netz verlieren, können die Mitteilungen nicht mehr empfangen, über die typischerweise Auslandszahlungen angewiesen werden. Geldüberweisungen an diese Institute sind dann nach wie vor möglich, da über die S.W.I.F.T.-Leitungen kein Geld verschickt wird, sondern lediglich die vorbereitende Kommunikation. Es ist weiterhin denkbar und auch schon zuvor in Einzelfällen gelebte Praxis, eine Buchungsanweisung auf anderem Wege zu übermitteln. So kann die Bank der zahlungsanweisenden Person beispielsweise ein Telefax oder eine E-Mail an die russischen Kolleg:innen schicken mit der Bitte, das Guthaben auf einem Bankkonto zu erhöhen. Zudem wäre es auch denkbar, dass sich westliche Banken zum Wohl ihrer Kund:innen dem russischen Zahlungskommunikationsdienst SPFS anschließen, das einen Konkurrenzdienst zu S.W.I.F.T. darstellt. Eine rechtliche Verpflichtung, für Auslandsüberweisungen S.W.I.F.T zu nutzen, besteht nicht. Ein manuelles „Überbrücken“ von S.W.I.F.T. wäre allerdings aufwändig, langsam und nicht ohne weiteres für das Massengeschäft tauglich. Ein vollständiges Abkoppeln Russlands von den internationalen Finanzmärkten würde den Ausschluss aus den gängigen Clearing-Systemen voraussetzen.

Umsetzung durch Satzungsrecht

Die S.W.I.F.T. s.c. ist keine staatliche Einrichtung. Wenn sich Regierungen der EU und der USA auf einen Ausschluss russischer Banken verständigen, können sie diesen nicht einfach anordnen. Der Dienstleister gehört den angeschlossenen Kreditinstituten, die über ihre Geschäftsleitung, das Annual General Meeting sowie das Board of Directors die wesentlichen Architekturentscheidungen des Netzwerks treffen. Diese Gremien sind nach regionalem Proporz besetzt. Über die staatlichen Kreditinstitute können die westlichen Regierungen Einfluss ausüben, sie stehen damit aber nicht alleine. Als in der Vergangenheit die Banken Irans, Nordkoreas und Afghanistans aus der Infrastruktur ausgeschlossen wurden, geschah dies mittels politischen Drucks auf die Genossenschaftler von S.W.I.F.T. Da es sich um Kreditinstitute aus aller Welt handelt, die ein originäres Eigeninteresse an funktionierendem Welthandel haben, ist es fraglich, ob sie sich zum Ausschluss des wichtigen Handelspartners Russlands freiwillig überzeugen lassen.

Umsetzung durch Unionsrecht

Kann keine „interne Lösung“ gefunden werden, bleibt die Möglichkeit, die S.W.I.F.T. s.c. durch Gesetz zur Umsetzung politischer Vorgaben zu zwingen. Aufgrund ihres Hauptsitzes unterliegt die Gesellschaft dem belgischen Recht. In dieses nationale Recht können entsprechende Verpflichtungen aufgenommen werden. Alternativ können unionsrechtliche Verpflichtungen geschaffen werden. Letzteres erscheint vor dem Hintergrund bisheriger Erfahrungen wahrscheinlicher. Als die S.W.I.F.T. s.c. im Jahr 2009 verpflichtet werden sollte, Zahlungsverkehrsdaten in großem Umfang an US-Sicherheitsbehörden herauszugeben, wurde zunächst ein Weg über das belgische Recht erwogen. Die Regierung Belgiens zog wegen der Tragweite jedoch einen EU-Rechtsakt vor. Letztlich einigten sich die Beteiligten auf ein sekundärrechtlich wirkendes Abkommen zwischen der EU und den USA, das die Herausgabepflicht enthielt. Die damalige rechtliche Verpflichtung gegen den Willen der S.W.I.F.T. s.c. kann auch als Blaupause für die aktuelle Sanktionspolitik genutzt werden.

Die näheren Hintergründe können der Dissertation des Autors (Link: https://www.duncker-humblot.de/buch/die-uebermittlung-von-s-w-i-f-t-daten-an-die-terrorismusaufklaerung-der-usa-9783428142149) entnommen werden.



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