Digital Law

Haftung für Internetanschlüsse

10. Februar 2022

– Gastbeitrag von Paul Benk

So normal der Internetanschluss auch in den letzten Jahrzehnten geworden ist, die Haftungsrisiken bleiben für Internetanschlussinhaber*innen nach wie vor hoch. Die Gefahr, als Täter*in haftbar gemacht zu werden wächst, während die Störer*innenhaftung abgeschafft ist. Dabei bleibt fraglich, ob das neue Haftungssystem den Rechteinhaber*innen hinreichenden Schutz gewährt. Diese Situation soll anhand der folgenden drei Thesen erläutert werden.


1. These:

Private Anschlussinhaber*innen müssen damit rechnen, als Täter*in haftbar gemacht zu werden, wenn sie ihren Anschluss mit Dritten teilen.

Bei Rechtsverletzungen im Internet, insbesondere bei den sog. Filesharing-Fällen, kann über die IP-Adresse nur der Internetanschluss ermittelt werden, über welchen die Verletzung begangen wurde. Da auch private Internetanschlüsse in den meisten Fällen von einer Mehrzahl an Personen genutzt werden, ist die Rechtsverfolgung aufgrund der Anonymität der verletzenden Person schwer.

Dem drohenden Verfall der (für Rechteinhaber*innen sehr lukrativen) täterschaftlichen Haftung hat der BGH durch eine Kombination aus einer tatsächlichen Vermutung und einer daraus resultierenden sekundären Darlegungslast versucht entgegenzuwirken. Die tatsächliche Vermutung besagt, dass Anschlussinhaber*innen, die den Internetanschluss alleine nutzten, auch Täter*innen der über diesen Anschluss begangenen Rechtsverletzungen sind. Macht der*die Anschlussinhaber*in geltend, der Anschluss sei nicht allein genutzt worden, muss sie*er dazu vortragen, welche Personen sonst Zugriff auf den Anschluss hatten und sowohl nach ihren Fähigkeiten und Kenntnissen auch in der Lage waren, die Rechtsverletzung zu begehen. Kommt der*die Anschlussinhaber*in dieser Darlegungslast nicht nach, so greift die tatsächliche Vermutung, sodass der*die Anschlussinhaber*in als Täter*in haftet.

Nach dem Urteil des BGH in der Rechtssache „Loud“ reicht die sekundäre Darlegungslast sogar so weit, dass Anschlussinhaber*innen die Identität des*der Täter*in preisgeben müssen, wenn ihnen der*die Täter*in bekannt ist. Auch sonst kann die sekundäre Darlegungslast dazu führen, dass der*die Täter*in offenbart werden muss, um eine eigene täterschaftliche Haftung des*der Anschlussinhaber*in abzuwenden, beispielsweise wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nur eine Person als Täter*in in Betracht kommt. Einem so weiten Umfang der Darlegungslast stehen gerade in Fällen mit familiären Konstellationen die Grundrechte aus Art. 6 I GG und Art. 7 I GrCh entgegen. Ob dies zu einem Schwenk in der Rechtsprechung des BGH führt, bleibt abzuwarten. Indes müssen Anschlussinhaber*innen damit rechnen, als Täter*in haftbar gemacht zu werden, wenn sie im Prozess den Rechteinhaber*innen nicht den*die Täter*in auf dem Silbertablett servieren. So entschied das LG Köln im September 2021 (Urt. v. 23.09.2021 – 14 S 10/20), dass die Klägerin, in diesem Fall eine Seniorin mit eigenem Internetanschluss, als Täterin für Urheberrechtsverletzungen via Filesharing haftet, auch wenn sie, wie im vorliegenden Fall, selbst gar kein internetfähiges Endgerät besitzt.

2. These:

Die Störer*innenhaftung für Internetanschlüsse ist durch das 3. TMGÄndG abgeschafft und kann auch nicht wieder aufleben.

Durch die Reform des Telemediengesetzes hat der Gesetzgeber in § 8 Abs. 1 TMG die Störer*innenhaftung für Inhaber*innen von drahtlosen Netzwerken abgeschafft und durch Sperransprüche in § 7 Abs. 4 TMG ersetzt.

Nach der Reform war zunächst problematisch, dass durch die systematische Stellung der Neuregelung die Störer*innenhaftung für alle Internetanschlussinhaber*innen abgeschafft worden war, die neuen Sperransprüche ausweislich des Wortlauts jedoch nur für Inhaber*innen von drahtlosen Netzwerken gelten. Gegen andere Inhaber*innen von nicht drahtlosen Internetanschlüssen wäre danach neben einer täterschaftlichen Haftung keine Alternative zur Störer*innenhaftung mehr verfügbar. Schon nach den Regelungen der InfoSoc-RL und der Enforcement-RL ist eine solche Schutzlosigkeit der Rechteinhaber*innen unzulässig. Der BGH hat die Unionsrechtswidrigkeit der Neuregelung jedoch durch eine analoge Anwendung der Sperransprüche verhindert.

3. These:

Es ist fraglich, ob die Umsetzung des an die Stelle der Störer*innenhaftung getretenen Sperranspruchs nicht regelmäßig an grundrechtlichen Erwägungen scheitern muss.

Eine andere Frage ist, ob die neuen Sperransprüche, die an die Stelle der Störer*innenhaftung getreten sind, überhaupt effektiven Rechtsschutz bieten. Die Sperrungen müssen dabei für die Anschlussinhaber*innen im Einzelfall zumutbar und verhältnismäßig sein. Diese Regelung bietet nicht nur ein Einfallstor für grundrechtliche Erwägungen zugunsten der Anschlussinhaber*innen, sondern auch für die Grundrechte der von potenziellen Sperrungen betroffenen Dritten. Beispiel hierfür ist das sog. Overblocking, also die Sperrung legaler Inhalte im Rahmen einer Sperrmaßnahme, als Eingriff in die Meinungs- und Informationsfreiheit. Die Anschlussinhaber*innen ihrerseits können sich auf die Berufsfreiheit berufen, wenn sie den Anschluss im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit betreiben. Andererseits müssen zum Schutz des geistigen Eigentums der Rechteinhaber*innen die Sperrmaßnahmen abschreckende Wirkung entfalten und wirksam sein.

Maßnahmen, die grundsätzlich in Frage kommen, sind Websperren, die jedoch in die Meinungsfreiheit eingreifen, Datenmengenbegrenzungen, welche allerdings illegales Filesharing nicht vollends unterbinden können und Portsperren, die in der Praxis leicht zu umgehen sind. Welche Maßnahmen angeordneten werden hängt allerdings immer von der Leistungsfähigkeit der Anschlussinhaber*innen und der Schwere und Häufigkeit der Rechtsverletzungen ab.

Zusammenfassung

Durch die Reform des TMG hat der Gesetzgeber die Störerhaftung im Bereich der Internetanschlüsse abgeschafft. Das Augenmerk der Rechteinhaber*innen bei der Rechtsdurchsetzung verschiebt sich nunmehr zur täterschaftlichen Haftung. Diese Entwicklung wird durch die weite Auslegung der sekundären Darlegungslast durch die Gerichte begünstigt, ist aber zumindest ihrem Umfang nach zu kritisieren, da sie Ergebnisse zulässt, in welchen als Täter*in haftet, wer wegen mangelnder Kenntnisse oder fehlender Endgeräte nicht Täter*in sein kann.



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