Wann müssen geteilte Beiträge als „Werbung“ gekennzeichnet werden?
von Sinja Slawig
Zweifelsohne wird es heutzutage immer beliebter, Produkte über die sozialen Netzwerke zu vermarkten. Studien haben gezeigt, dass das Kaufverhalten von Verbraucher*innen eher angeregt wird, wenn diese Empfehlungen von Freund*innen und guten Bekannten erhalten. Traditionelle Marketingstrategien hingegen sind im Vergleich oft weniger erfolgreich. So genannte Influencer*innen werden von Unternehmen sowie Dienstleister*innen instrumentalisiert, damit diese ohne großen Aufwand für sie werben. Durch eine oftmals freundschaftliche und durchaus persönliche Beziehung zu den eigenen Anhänger*innen, lassen sich Produkte besonders gut vermarkten. Problematisch ist hierbei allerdings, dass es den Verbraucher*innen oft schwer fällt zwischen solchen Beiträgen, die aus privaten Gründen und solchen, die gegen eine Vergütung geteilt wurden, zu unterscheiden. In solchen Fällen wird die Gutgläubigkeit und das Vertrauen der Verbraucher*innen missbraucht. Nicht immer steckt eine böse Absicht hinter der Nichtkenntlichmachung von bezahlten oder auch unbezahlten Beiträgen, sondern häufig auch Ungewissheit, welche sich sowohl in Deutschland als auch in den USA zeigt.
Die Diskussion um die Kenntlichmachung von Werbung in den sozialen Medien ist vor einiger Zeit wieder aufgekommen. Zurückzuführen ist dies nicht nur auf eine Reihe an Verfahren gegen Personen des öffentlichen Lebens, sondern ebenso auf einen neuen Gesetzesentwurf zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Angestrebt wird vor allem eine Änderung des §5a IV, welche es den Influencer*innen erleichtern soll, zu erkennen, wann sie einen Beitrag als Werbung kennzeichnen müssen und wann nicht. Ein kommerzieller Zweck zugunsten eines fremden Unternehmens würde demnach nicht vorliegen, wenn die Influencer*innen für das Teilen des Beitrages keine Gegenleistung erhalten haben oder sich haben versprechen lassen. Unbezahlte Beiträge dürften daher grundsätzlich ohne eine derartige Kenntlichmachung veröffentlicht werden. Eine derartige Änderung des Gesetzes könnte für mehr Rechtsklarheit bei den Betroffenen sorgen.
Großer Unmut herrscht gerade hinsichtlich der unterschiedlichen Urteile und Auslegung der einschlägigen Normen. Das LG München und OLG Hamburg stellten beispielsweise fest, dass Beiträge nicht als Werbung gekennzeichnet werden müssten, wenn offensichtlich sei, dass diese kommerziellen Inhalts sind. Anders hingegen entschied das OLG Braunschweig im Jahre 2020. Es stellte fest, dass sich die Verlinkung einer Marke in einem Beitrag absatzfördernd für das genannte Unternehmen auswirken kann. Aus diesem Grund handle es sich um eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 I Nr. 1 UWG und eine Kennzeichnung als „Werbung“ sei für die Verbraucher*innen unabdingbar.
Vor allem in den USA floriert das Geschäft mit den Internet-Persönlichkeiten. Allerdings müssen nicht nur deutsche, sondern auch US-amerikanische Influencer*innen ihre kommerzielle Verbindung zu einem Unternehmen kenntlich machen. Regelungen dahingehend lassen sich einem Guide der Federal Trade Commission (FTC) entnehmen. Gegründet im Jahre 1914, mit dem Ziel unfaire Konkurrenzmethoden in der Geschäftswelt zu bekämpfen, verfolgt sie die Mission sowohl die Konsumierenden als auch den Wettbewerb selber, vor unfairen und wettbewerbswidrigen Praktiken zu schützen. Die FTC knüpft ebenfalls an die Idee an, dass das Kaufverhalten von Verbraucher*innen möglicherweise durch Kaufempfehlungen von Influencer*innen beeinflusst wird. Sie fordert eine klare Offenlegung, sollte eine kommerzielle Verbindung bestehen und für das Teilen eines Beitrages eine Gegenleistung erhalten oder versprochen worden sein. Um den Anforderungen der FTC gerecht zu werden, hat diese ihren Guide im Jahre 2015 um den Zusatz „What People are Asking“ ergänzt, welcher die wichtigsten Fragen hinsichtlich des Marketings auf eine anschauliche und verständliche Weise in den sozialen Netzwerken erklären soll. Sollte die FTC einen möglichen Verstoß feststellen, wird der betroffene Beitrag individuell betrachtet. Lässt sich ein Beitrag nicht mit dem Guide vereinbaren und verstößt er gegen die 5. Sektion des so genannten FTC-Act, nach welcher unfaire Handlungen sanktioniert werden können, so hat die FTC die Befugnis gegen die Influencer*innen oder das Unternehmen vorzugehen. Trotz des Guides wird davon ausgegangen, dass ca. 92% der bezahlten Beiträge nicht als solche gekennzeichnet werden und dementsprechend mit dem Guide unvereinbar sind. Zwischen den Jahren 2011 und 2019 wurden lediglich 13 Fälle von der FTC behandelt, welche das Influencer Marketing betrafen.
Social Media, die sich stetig weiter entwickelnde Digitalisierung und neue Marketingstrategien stellen Gesetzgeber und Rechtsprechung in Deutschland und den USA gleichermaßen vor große Hürden. Beide Länder verfolgen die richtigen Absichten, um einen sicheren und fairen Wettbewerb zu gewährleisten und Verbraucher*innen zu schützen. Evident ist jedoch, dass durch die spärliche Rechtsprechung und unterschiedlichen Urteile kein klarer Rahmen für Influencer*innen und Unternehmen erkennbar ist, nach dem diese sich beim Teilen ihrer Inhalte richten können, ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Auf kurz oder lang werden weder Gesetzgeber noch Verbraucherschützer*innen in Deutschland darum herumkommen, Verbraucher*innen und Wirtschaftstreibende sowie Influencer*innen aufzuklären und weiterzubilden. Gerade in den USA werden immer wieder Stimmen laut, die klare Marketingregeln fordern und sich vor allem gegen die praktische Undurchsetzbarkeit der Leitlinien richten, welche von der FTC selbst anerkannt wurde. Es ist unabdingbar, dass sich auch der Gesetzgeber am stetigen Wandel orientiert und sich diesem entsprechend anpasst. Eine Reform des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in Deutschland würde einen geeigneten Grundstein für den besseren Schutz von Verbraucher*innen und Handler*innen legen.
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